• Bundestagsabgeordnete Annika Klose beim Profilkurs Politik zu Besuch – man muss dranbleiben
      • Bundestagsabgeordnete Annika Klose beim Profilkurs Politik zu Besuch – man muss dranbleiben

      • 28.06.2022 08:59
      • Wie kamen Sie in die Politik? Was ist Ihnen wichtig? Wie lassen sich Blockaden in der EU-Politik überwinden und sind Sie mit Miroslav Klose verwandt? Diesen und weiteren Fragen stellte sich die SPD-Politikerin, die seit 2021 für Berlin-Mitte im Bundestag sitzt.
      • Frau Klose ist seit 2011 in der Parteipolitik in Berlin aktiv, jedoch engagierte sie sich bereits in der Schule. Es störte sie, dass die Wege, die Menschen in der Bildung einschlagen konnten weniger mit ihrem Können als mit der Unterstützung zusammenhingen, die sie zuhause bekommen konnten. Sie war sich ihrem eigenen Vorteil ihrer Herkunft bewusst und wollte mehr Gerechtigkeit in der Bildung erreichen. Ein erster Schritt war ganz konkret der Einsatz für einen Lernraum in ihrer Schule, damit auch die lernen könnten, die zuhause keinen Platz zum ruhigen Arbeiten finden.

           

        Im Jahr 2011 fanden in Berlin die Abgeordnetenhauswahlen statt und beim Blick auf den Stimmzettel empfand Frau Klose Frust, da sie nur 60 – 70% Übereinstimmung bei den verschiedenen Parteiprogrammen mit ihren eigenen Ideen fand und sie wollte mehr als nur ein Kreuz machen, sondern mitgestalten. Daher suchte sie sich die Jugendorganisationen der Linken, der Grünen und der SPD heraus und ging hin. Bei den JUSOS, die linker als ihre Mutterpartei SPD sind, passte es dann am besten. So gut, dass sie von 2015 – 2020 ihre Vorsitzende wurde. Gerechtigkeit ist ihr besonders wichtig und diesen Wert sieht sie auch bei der SPD gut vertreten.

        Im Gespräch mit dem Profilkurs berichteten die Schülerinnen und Schüler von eigenen Ungerechtigkeitserfahrungen und von Alltagsrassismus. Annika Klose findet es wichtig, dass wir diesen Rassismus klar ansprechen, es ist ein strukturelles Problem, das auf verschiedenen Ebenen und Wegen bekämpft werden muss: Kampagnen, um ein Bewusstsein zu schaffen, ein angepasstes Strafrecht, Beschwerdestellen. Die rassistischen Gedankenstrukturen sind da, Gedanken lassen sich aber nicht einfach verbieten; wir müssen dranbleiben.

           

        Dranbleiben muss man auch bei der Gestaltung einer gerechteren Gesellschaft. Ein Anliegen von Annika Klose, das sie verfolgt, ist die Abschaffung von Hartz IV, was auch im Koalitionsvertrag steht. Hier gab es durchaus kritische Nachfragen des Profilkurses, ob sich das denn bezahlen ließe, wenn alle, die dies beantragten, dann ein Bürgergeld bekämen. Frau Klose wäre hier für Steuererhöhungen offen, die seien aber mit der FDP nicht zu machen. Das eingesetzte Geld kommt durch den Konsum ja wieder der Gesellschaft zugute, kam als eine eigene Antwort aus dem Kurs. Frau Klose unterstrich die Notwendigkeit, dass alle Menschen in unserer Gesellschaft teilhaben können müssen, d. h. mitmachen können müssen und dafür braucht es auch finanzielle Mittel in der Hand der Familien sowie die Unterstützung und Weiterbildung der Menschen, damit sie wieder auf eigenen Füßen stehen können.

        Beim Themenfeld Europäische Union stand die EU-Asylpolitik im Zentrum. Hier sieht Annika Klose „ein Staatsversagen“ in der EU, wenn sie an die Ertrunkenen im Mittelmeer denkt. Auf unsere Nachfrage, wie denn die EU Asyl besser gestalten sollte, schlug sie vor, dass Menschen, die fliehen müssen, dies mit dem Flugzeug tun können sollten und nicht in Schlauchbooten in Lebensgefahr geraten dürfen. Sie sieht hier kurze unbürokratische Vorprüfungen in den Botschaften vor Ort als Möglichkeit, um die mörderischen Überfahrten zu beenden, oder „humanitäre Visa“, die ein schnelles Verlassen des bedrohlichen Heimatlandes ermöglichen. Eine vertiefte Prüfung des Asyls würde dann in den Ankunftsländern der EU durchgeführt. 

        Jedoch ist sie wenig optimistisch, was eine einstimmige Regelung der 27 EU-Mitgliedsstaaten betrifft. Grundsätzlich brauche die EU ein stärkeres Parlament, die Vision der „Vereinigten Staaten von Europa“ bleibt, so Klose. Und es gibt auch immer wieder Erfolge der EU, ein Beispiel ist die Plastikrichtlinie, um Plastikmüll zu reduzieren, das hätte Deutschland allein nicht geschafft.

        In Bezug auf die Asylpolitik brauche es „Koalitionen der Willigen“, wenn es um die Aufnahme von Geflüchteten und gemeinsamen Regelungen geht. Hier könne ein Fonds helfen, in den alle EU-Länder einzahlen und aus dem die Gemeinden und Städte, die Menschen aufnehmen finanzielle Unterstützung bekommen könnten. Berlin ist so ein „sicherer Hafen“, d. h. eine Stadt von vielen, die sich angeboten haben, Menschen aufzunehmen, da liegen Chancen.

        Bei der Nachfrage nach der Ungleichbehandlung von Geflüchteten aus Syrien und der Ukraine erklärt Frau Klose den unterschiedlichen rechtlichen Status beider Gruppen: Ukrainer konnten schon vor dem Kriegsausbruch in der EU für drei Monate frei reisen, daher fallen Einreisekontrollen weg. Die EU hat sich auch – anders als noch 2015 – für die Anwendung der „Massenzustrom-Richtlinie“ entschieden, was den Ukrainerinnen es leichter macht, in der EU zu arbeiten, zu lernen und sozial und medizinisch versorgt zu sein. Jedoch wird sie sehr klar, bei der Nachfrage, warum sich Polen und Ungarn so gegen die Aufnahme von Geflüchteten im Jahr 2015 gestellt hatten, nun sich aber offen für die Menschen aus der Ukraine zeigen: sie sieht hier durchaus „antimuslimischen Rassismus“, der die Regierungen der Länder geleitet hat. Hinzu komme die gemeinsame Geschichte der Länder der ehemaligen Sowjetunion und die eigene Angst z. B. von Russland angegriffen werden zu können.

        Dranbleiben, auch wenn es schwierig wird, das ist der Rote Faden unseres Gespräches. Ja, und Miroslav Klose? Ihre Großeltern finden, dass ihr Opa durchaus Ähnlichkeiten mit dem Fußballer habe und die Familie stammt aus der gleichen Region Opole in Polen – eine entfernte Verwandtschaft ist also aus der Sicht ihrer Großeltern nicht ausgeschlossen… 😉

        Wir bedanken uns für eine interessante Diskussion!

         

        Für den Profilkurs, Nikola Dzembritzki, 27.06.2022

         

      • Zurück zur Artikelliste